Carpe diem – Autumn Cornwell

„… mich daran erinnern, dass das Leben einem in manchen Momenten völlig unsinnig erscheint und die einzelnen Teile erst im Rückblick ein zusammenhängendes Muster ergeben…“

Ich bin mir so unendlich dankbar.

Dafür, dass ich mich in der letzten Zeit etwas matt fühle und mich eigentlich nur in Ruhe mit einem guten Buch und meiner grünen Kuscheldecke unter meine dämmrige Leselampe zurückziehen und die Zeit an mir vorbeiziehen lassen möchte. Und dafür, dass ich mich im Moment wieder ganz jung fühle und es ausgrechnet ein Jugendbuch sein sollte, dass ich zu verschlingen gedachte. Vor allem aber dafür, dass es in den Regalen der Jugendbuchabteilung eines namenhaften Buchladens kaum etwas anderes gibt als Vampir-, Fantasy-, und Drachensch***reibereien.

Dafür bin ich mir dankbar? Oh ja. Denn neben dieser ganzen düsteren, schwarzsilbernen Geister- und Untotenliteratur stach ein Buch besonders hervor, eines, dass mich sowohl aufgrund seines abgekauten Titels als auch wegen seines kitschig-nichtssagenden Covers normalerweise niemals angesprochen hätte. Aber ich hatte bei dieser Auswahl nun mal keine andere Wahl als zuzugreifen, es umzudrehen und auf dem Buchrücken die Zusammenfassung einer ganz wunderbar geschriebenen, abenteuerlich-romantischen, fesselnden und inspirierenden Geschichte zu lesen…

Ein Koffer voll rosa Toilettenpapier. Im Nachhinein macht dieses Cover sogar Sinn.

Vassar, eine 16jährige Amerikanerin mit einem äußerst komischen Vornamen, plant alles. Denn wer alles plant, bekommt alles, was er will. Gute Schulnoten. Einen 1,92m großen, blonden Richter zum Ehemann. Den Pulitzerpreis.
Aber wer nichts plant, bekommt vielleicht noch viel mehr.
Heute noch der Star der Latein-AG in einem wohlbehüteten, durchstrukturierten Tagesablauf, sitzt Vasser morgen schon in einem Flieger Richtung Südostasien, wo sie die nächsten Wochen mit ihrer durchgeknallten, Müll sammelnden Möchtergernkünstlerin als Oma, einem Lasso schwingenden malayischen Chinesen und jeder Menge angriffslustiger Kohlebakterien verbringen soll. Ein Familiengeheimnis, ein abenteuerlicher Trekking-Ausflug und ein erstes Infragestellen lang antrainierter Zukunftsvisionen machen diesen Trip für Vassar zu einer echten Gratwanderung.

Unglaublich. Wirklich. Unglaublich.

Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal solches Glück hatte. Das Glück, zufällig in einem Buchladen auf ein Werk zu stoßen, dass mich von der ersten bis zur letzten Seiten packen und nicht mehr loslassen sollte. Das es versteht, meine Erwartungen an ein Buch so haargenau zu treffen, dass ich mich frage, ob Autumn Cornwell nicht mein zweites, zugegeben: talentierteres Schreiber-Ich ist. Carpe diem ist so witzig, so interessant, so süß, so peinlich, so spannend und dabei so unbeschwert zu genießen, dass ich nicht umhin kann, als es weiter zu empfehlen. Und zwar wärmstens!

Und trotzdem befürchte ich, dass dieses Buch niemandem so gut gefallen wird, wie mir. Weil ich mich sowohl in der Form des Buchs, in seinem Schreibstil, in seinem inhaltlichen Aufbau als auch in seiner Hauptfigur, in seinem Plot, in seiner Moral so sehr wiedergefunden habe, als sei es ganz persönlich für mich geschrieben worden.

Anja Strilek

6 Gedanken zu „Carpe diem – Autumn Cornwell

  1. Kassiopaia sagt:

    Ui, Anj, da möchte man das Buch ja am liebsten lesen, um dir und deiner Person ein Stück näher zu kommen und zu wissen wie du so tickst.

    Aber gib’s zu, du hast es doch nur wegen des schweinchenrosa Covers genommen?! ;)

  2. Anj sagt:

    Kassio, kein Problem. Zwar weilt das Buch gerade noch in anderen, dir wohl bekannten Händen, aber natürlich darfst du es diesen gern bei Gelegenheit entreißen und auch mal reinlesen. Ich brauche Meinungen! Bin ganz gespannt, wie andere das Buch so finden. Aber ein wenig Recherche im Internet hat mir jetzt schon mal klar gemacht, dass ich nicht die einzige Begeisterte zu sein scheine.

    Und das Cover fand (ganz ganz ehrlich) am Anfang echt doof…

  3. Anika sagt:

    wie gemein – „Möchtegernkünstlerin“. Ich fand die Oma von Anfang an super!
    habs jetzt auch verschlungen und fands auch toll. Zwar waren mir zum Ende hin ein paar Sachen zu abgedreht, aber insgesamt hat es mich schon doch berührt. Gerade auch die Kunst der Oma…die hab ich immer bildlich vor mir gesehen und mir gewünscht, ich würde auch anfangen, Sachen zu sammeln und sie zu Erinnerungscollagen zusammenzukleben…

  4. Anj sagt:

    Ach toll, dass es dir auch so gut gefallen hat. Da bin ich ja nicht der einzige Fan. Ich weiß, was du damit meinst, dass es am ende ein bisschen abgedreht wird… nichtsdestotrotz war es die ganze Zeit spannend und ich mag eben sehr diese Moral, die ich auch oben im Zitat erwähne. Das man zuerst nur wirre, zusammenhangslose Kleinigkeiten vor sich sieht, im Rückblick aber ein zusammenhängendes Muster entdeckt und die wahre Bedeutung erkennt. Das wiederum wird ja in der Collage von der Oma verpackt. Einfach klasse.

  5. Frangipani (: sagt:

    Ich fand das Buch sehr witzig zu lesen. Ich fand nur das mit dem „BH-Wunder“ etwas merkwürdig! (Häää? Kann das mal jemand erklären??) Die Oma fand ich ganz witzig, und Hanks erst recht!! Nur Vassars Freundinnen waren ja wohl so’n bisschen bescheuert. Ich mein, die wussten, dass Vassar über IHRE Reise berichtet hat und deshalb wohl auch die hauptperson war. Und dann schreiben die, dass sie Sarah Lawrence kleinkariert und zu brav finden.
    Na ja, ich kann das Buch auf jeden Fall empfehlen!! ♥

  6. Anj sagt:

    Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich die Bezeichnung der Möchtegern-Künstlerin auch nicht mehr so passend für die Oma finde; ich schließe mich also Anikas Kritk an. „Alternativ-Künstlerin“ passt doch schon eher :)

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